Nichtanlauf eines Hafens – kein Reisemangel

AG Rostock: Nichtanlauf eines Hafens – kein Reisemangel

Der Kläger hatte bei der Beklagten, einer Schiffsreiseveranstalterin, eine Schiffsreise durch Nordeuropa gebucht. Unter anderem sollte das Schiff auf dieser Reise in den Hafen von Reykjavik einlaufen und diesen am Folgetag wieder verlassen. Allerdings legte das Schiff aus Sicherheitsgrünen nicht an diesem Hafen an. Der Kläger fordert nun von der Beklagten eine Reisepreisminderung, weil der Charakter der Reise dadurch massiv beeinträchtigt worden sei.

Das Amtsgericht in Rostock hält die Klage für unbegründet. Eine Reisepreisminderung könne dem Kläger nicht zugesprochen werden, da bei einem Ausfall eines Programmpunkts der lediglich 1/14 der Reise ausmacht, keine Beeinträchtigung des Charakters der gebuchten Reise erkennbar sein könne.

AG Rostock 47 C 381/11 (Aktenzeichen)
AG Rostock: AG Rostock, Urt. vom 16.03.2012
Rechtsweg: AG Rostock, Urt. v. 16.03.2012, Az: 47 C 381/11
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Mecklenburg-Vorpommern-Gerichtsurteile

Amtsgericht Rostock

1. Urteil vom 16. März 2012

Aktenzeichen: 47 C 381/11

Leitsatz:

2. Wird bei einer 14-tägigen Schiffsreise nur einer von vielen geplanten Anlaufhäfen, für die Dauer von 23 Stunden nicht angelaufen, so liegt kein Reisemangel vor.

Zusammenfassung:

3. Der Kläger buchte bei der Beklagten, einer Schiffsreiseveranstalterin, eine Schiffsreise durch Nordeuropa. Unter anderem sollte das Schiff auf dieser Reise in den Hafen von Reykjavik um 14.00 Uhr einlaufen und diesen nach 23 Stunden um 13.00 Uhr des Folgetages verlassen. Allerdings legte das Schiff aus Sicherheitsgrünen nicht an diesem Hafen an, weil die Witterungsbedingungen dies laut Ansicht der Beklagten nicht zugelassen hätten.

Der Kläger fordert nun von der Beklagten eine Reisepreisminderung, weil durch die Änderung des betreffenden Programmpunktes der Gesamtcharakter der gebuchten Reise entscheidend verändert worden sei. Die Beklagte habe die vertraglich vereinbarte Reiseleistung also nicht erbracht.

Das Amtsgericht in Rostock weist die Klage ab. Eine Reisepreisminderung, die die von der Beklagten bereits an den Kläger gezahlten EUR 450,- übersteige, könne dem Kläger nicht zugesprochen werden. Bei einem Ausfall eines Programmpunkts der lediglich 1/14 der Reise ausmacht, sei keine grundlegende Beeinträchtigung des Charakters der gebuchten Reise bzw. kein Mangel an der Reiseleistung i. S. d. § 651d BGB  erkennbar.

Es wäre lediglich eine Minderung in Höhe von 50 % bzw. 40 % eines Tagespreises für die beiden betreffenden Tage denkbar. Allerdings sie dieser Anspruch durch die Erstattung, die die Beklagte bereits getätigt habe, hinfällig.

Tenor:

4. Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

5. Die Kläger fordern die überwiegende Rückzahlung des Reisepreises für eine Kreuzfahrt wegen Nichtanlaufens eines Hafens.

6. Die Kläger buchten bei der Beklagten eine Schiffsreise auf der …, welche vom 19.06.2011 bis zum 03.07.2011 stattfand. Während die Kläger vortragen, der Reisepreis habe einschließlich Treibstoffzuschläge 6.715,00 EUR betragen, trägt die Beklagte einen Reisepreis einschließlich Treibstoffzuschlägen in Höhe von 7.460,00 EUR vor. Zur Darstellung der Reiseroute wird auf Seite 2 der Klageerwiderung vom 21.12.2011 (Blatt 39 d.A.) verwiesen.

7. In den Vertragsbestandteil gewordenen allgemeinen Reisebedingungen der Beklagten heißt es u.a.:

8. „4. Leistungsänderungen

9. 4.1 Änderungen wesentlicher Reiseleistungen von dem vereinbarten Inhalt des Reisevertrages, die nach Vertragsschluss notwendig werden und die von … nicht wider Treu und Glauben herbeigeführt wurden, sind gestattet, soweit die Änderungen nicht erheblich sind und den Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigen. Das gilt insbesondere auch für Änderungen, der Fahrt – und Liegezeiten und/oder der Routen (vor allem auch aus Sicherheits- und Witterungsgründen), über die allein der für das Schiff verantwortliche Kapitän entscheidet.“

10. Das Schiff sollte u.a. am 28.06.2011 um 14:00 Uhr in den Hafen von Reykjavik einlaufen und am 29.06.2011 13:00 Uhr wieder auslaufen. Am 28.06.2011 herrschte Nordwind mit einer Stärke von 6 bis 8 Beaufort. Für den 29.06.2011 war eine Windstärke von 7 bis 1 Beaufort vorhergesagt worden. Der Kapitän des Schiffes hatte Kenntnis vom abnehmenden Wind. Im Zusammenhang mit den Windverhältnissen – und vorhersagen entschied der Kapitän, den Hafen nicht anzulaufen.

11. Die Kläger fordern im Zusammenhang mit dem fehlenden Aufenthalt des Schiffes in Reykjavik eine Reisepreisminderung in Höhe von 2 Tagesreisepreisen berechnet auf einen Betrag in Höhe von 6.715,00 EUR mithin in Höhe von 959,28 EUR sowie zusätzlich eine Minderung des vorgenannten Reisepreises im Umfang von 2/3, d.h. in Höhe von 4.476,66 EUR. Bei der Berechnung der Klageforderung fand eine von der Beklagten bereits geleistete Zahlung in Höhe von 450,00 EUR Berücksichtigung.

12. Die Kläger behaupten, das Schiff hätte aufgrund der tatsächlichen Windverhältnisse an – und ablegen können.

13. Die Kläger meinen, der eigentliche Charakter der Nordeuropareise sei Island und vor allem das Anlaufen des Hafens von Reykjavik gewesen.

14. Die Kläger beantragen,

15. 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger 4.985,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

16. 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger nicht anrechenbare außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 359,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

17. Die Beklagte beantragt,

18. die Klage abzuweisen.

19. Sie behauptet, der Hafen sei aus Sicherheitsgründen nicht angelaufen worden. Es habe nicht garantiert werden können, dass das Ablegen am 29.06.2011 aufgrund der Windverhältnisse möglich sei. Zudem hätten die Windverhältnisse am 28.06.2011 kein sicheres Einlaufen in den Hafen erlaubt.

Entscheidungsgründe:

20. Die zulässige Klage ist unbegründet.

21. Die Kläger haben aufgrund des Nichtanlaufens des Hafens in Reykjavik während der bei der Beklagten gebuchten Reise vom 19.06.2011 bis 03.07.2011 über den bereits erhaltenen Betrag in Höhe von 450,00 EUR keinen weiteren Anspruch auf Minderung des Reisepreises.

22. Es kann dahingestellt bleiben, ob der in Ziffer 4.1 der Reisebedingungen der Beklagten geregelte und somit vereinbarte Leistungsänderungsvorbehalt der Feststellung eines Reisemangels im Sinne von § 651c BGB aufgrund des Nichtanlaufens des Hafens in Reykjavik entgegenstehen würde. Denn selbst bei Feststellung eines Mangels wäre ein dann gemäß § 651d BGB berechtigter Minderungsanspruch durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 450,00 EUR abgegolten.

23. Das Vorliegen eines zur Minderung berechtigten Mangels unterstellt würde dieser einen berechtigten Minderungsanspruch in Höhe von 50 % des Tagesreisepreises für den 28.06.2011 und 40 % des Tagesreisepreises für den 29.06.2011 zur Folge haben.

24. Das Schiff sollte am 28.06.2011 um 14:00 Uhr den Hafen Reykjavik anlaufen und am 29.06.2011 um 13:00 Uhr ablegen. Die Kläger hätten also die Möglichkeit gehabt, am 28.06.2011 den Nachmittag und den Abend sowie am 29.06.2011 den Vormittag in Reykjavik zu verbringen. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kläger die Nacht nicht auf dem Schiff verbracht hätten, ist festzustellen, dass am 29.06.2011 nur wenige Stunden für einen Landgang verblieben wären. Dies würde für den 29.06.2011 nur eine geringere Minderung des Tagesreisepreises gegenüber einem Minderungsanspruch für den 28.06.2011 rechtfertigen.

25. Eine mehr als 50 %-​ige Minderung des Tagesreisepreises für den 28.06.2011 bzw. mehr als 40 %-​ige Minderung des Tagesreisepreises für den 29.06.2011 kommt nicht in Betracht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte die von ihr geschuldeten Leistungen am 28.06.2011 bis 14:00 Uhr und am 29.06.2011 ab 13:00 Uhr ordnungsgemäß erbrachte. Darüber hinaus nahmen die Kläger ordnungsgemäß erbrachte Leistungen wie Verpflegung und Unterkunft in Anspruch bzw. konnten die übrigen Angebote, die die Beklagte an Bord hinsichtlich der Freizeitgestaltung anbot, in Anspruch nehmen.

26. Soweit die Kläger im Zusammenhang mit der Begründung ihrer geltend gemachten Ansprüche auch meinen, das Anlaufen des Hafens von Reykjavik habe den eigentlichen Charakter der Nordeuropareise bestimmt ist dies nicht ansatzweise nachzuvollziehen. Die 14-​tägige Seereise führte über mehrere Häfen in Norwegen einschließlich des Nordkaps, über Island und über Schottland. Sämtliche Häfen in Norwegen und Schottland wurden angelaufen. Darüber hinaus wurde auch der Hafen Akureyri auf Island angelaufen.

27. Letztlich bedarf es keiner weiteren Begründung dazu, dass die von den Klägern geltend gemachte Gesamtminderung im Umfang von 81 % des gesamten Reisepreises für eine 14-​tägige Kreuzfahrt aufgrund des Nichtanlaufens eines Hafens deutlich überzogen ist.

28. Bei der Berechnung eines möglichen Minderungsanspruchs kann es dahingestellt bleiben bzw. bedarf es keiner weiteren Sachaufklärung dazu, wie hoch der tatsächliche Reisepreis war. Aufgrund der vorliegenden Reiseunterlagen betrug dieser 6.460,00 EUR, während die Kläger von einem Reisepreis in Höhe von 6.715,00 EUR ausgehen. Selbst wenn der letztgenannte Betrag als richtig unterstellt werden würde hätten die Kläger für den 28.06.2011 einen Minderungsanspruch in Höhe von 239,82 EUR und für den 29.06.2011 in Höhe von 191,86 EUR. Der gesamte Minderungsanspruch würde demnach 431,68 EUR betragen und wäre durch die Zahlung der Beklagten in Höhe von 450,00 EUR bereits abgegolten.

29. Mangels bestehender Hauptforderung besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen einschließlich des Ersatzes der den Klägern entstandenen vorgerichtlichen, nicht anrechnungsfähigen Rechtsanwaltskosten.

30. Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 91 ZPO.

31. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.

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